Dichterlesung Benedict Wells

 

Ein Stück Kuchen fällt zu Boden - und landet kurz darauf, nach einem bedauernden und leicht irritierten Blick, zielsicher im Mülleimer.
"He das kann man noch essen!" (Grimm)
Aber Benedict Wells weiß es besser, nicht weil der Kuchen ihm nicht schmeckt (schließlich handelt es sich schon um sein zweites Stück), sondern weil er selbst einige Jahre lang Internatsschüler in Hogau war, und deswegen genau weiß, was dieser Boden schon alles mitgemacht hat... Heute am 22.1.2010 sitzt er mit dem Deutsch-LK im Internatsklassenzimmer I1 seiner alten Schule. Schon am Vortag hat er gleich zu Beginn seiner Lesung (lässig auf den Tisch gelehnt, vor den interessiert gespitzten Ohren diverser Lehrer und der gesamten Kollegstufe) angemerkt: "Es ist komisch wieder hier zu sein..." Auch die jetzige Situation birgt eine gewisse Brisanz, denn umgeben von 12 Deutsch-LKlerinnen im Halbkreis um das Pult, an dem er neben seinem (alten) Freund aber Nie-Lehrer, dem Grimm, Platz genommen hat, angeordnet, "fühlt man sich wie vor einem Tribunal".
Aber so schlimm sind wir gar nicht:
Wie fast jeden Freitag hat die LK-Doppelstunde mit dem Verteilen von Kaffee, Tee und Kuchen begonnen, und auch die angesetzte Fragerunde ("Was wolltet ihr einen echten Schriftsteller schon immer mal fragen?") wird durch die, die Prioritäten klar festlegende, Frage nach dem Karamellsirup eröffnet. Dafür werden gleich anschließend - nach dem Durchreichen des Sirups versteht sich - die Fronten geklärt: "Ist du eigentlich okay?" - "Ja klar."
Damit fängt dann eine doch verhältnismäßig konstruktive Fragerunde an, in der für uns endgültig klar wird, dass Schriftsteller ja vielleicht auch nur Menschen sind - noch dazu normale, die in Deutsch schon auch mal nur 3 Punkte schreiben... (nur dass Benedict ein paar Jahre später der jüngste Autor ist, den Diogenes unter Vertrag hat; eine Tatsache, die er selbst (manchmal) kaum glauben kann.)
Aber wie er selbst sagt, schreiben kann man lernen: "Sperr einen Menschen 3 Jahre lang mit Zettel, Stift und guten Büchern in einen Raum, gib ihm konstruktive Kritik, und ich wette, dass dieser Mensch nach den 3 Jahren schreiben kann." Na das macht doch Mut.
Und um uns zu zeigen, dass ein Roman, an dem man schreibt, nicht einfach "gut" ist, händigt er uns tatsächlich einen Auszug seines Romans, der im September erscheinen soll ("Fast genial", inzwischen vermutlich - ganz bestimmt - im Druck...) aus, damit wir unsere lektorischen Fähigkeiten erproben und unsere Verbesserungsvorschläge direkt an den Autor bringen können. Eine wahrscheinlich einmalige Gelegenheit, die wir zwar etwas schüchtern, aber durchaus begeistert ergreifen - und wer weiß, vielleicht finden wir den einen oder anderen "fast genialen" Einfall im September in gedruckter Form und irgendeiner Art und Weise wieder... :-)
Fazit: Danke Bene, wir hoffen (nein, wir bestehen darauf!), dass du wieder kommst (wir möchten deine charmante, stilvolle und äußerlich ansprechende Erscheinung nämlich nicht missen, auch wenn du ein bisschen mehr essen und schlafen darfst) und auch wenn das nur ein "Scheiß-Klischee) ist: wir mögen deine Art zu schreiben und finden deine Bücher nicht sooo schlecht ;-)

Das war übrigens die einzige Deutsch-Doppelstunde, in der wir nicht schon um 9.57 Uhr nach unserer Pause lechzten und noch dazu pünktlich den Weg zurück ins Klassenzimmer gefunden haben...

(Deutsch-LK , 1/2010)